Als es noch Menschen gab…
Abends saßen wir immer gemeinsam ums Feuer und erzählten Geschichten von früher.
Der alte Adams kratzte sich mit der Pfote hinter dem Kopf und erzählte von Sternen, die die Menschen geschaffen hatten und die um die Erde flogen.
Diese Sterne wussten immer, wo man war und halfen, den Weg in der Dunkelheit zu finden. Sie konnten aber auch bestrafen und Blitze auf die Erde schicken und sogar die Menschen töten, die an andere Götter glaubten und ihnen Feuer in ihre Höhlen lenken.
Die Jüngeren am Lagerfeuer begannen, ihr Fell nach Flöhen und Zecken abzusuchen – es waren sehr alte Geschichten, die schon viele Nächte erzählt worden waren.
Evana ängstigte sich besonders bei den alten Sagen, die sich mit den Computern beschäftigten.
Evana lauschte gebannt:
„Als den Menschen unsere Hilfe und Freundschaft nicht mehr reichte, bauten sie sich Maschinen. Maschinen, um Nahrung zu produzieren, Maschinen, die sie von einer großen Stadt in die andere trugen, Maschinen, die ihre Hauser bewachten und Maschinen, mit denen sie sich unterhalten konnten.
Diese Computer waren bald überall und steuerten und verwalteten das Leben der Menschen.
Doch der Mensch war dumm und hatte schon immer Kriege geführt. Blutige Kriege mit Schwertern und Pfeilen, grausame Kriege mit Panzern und Giftgas.
Und er begann, Kriege mit Computern zu führen.
Erst fantasierte die Menschheit nur von den Möglichkeiten, wie in dem Film „War Games“ (John Badham, 1983), der von einem jugendlichen Hacker handelt, der sich in die Kriegs-Rechenzentrale der Amerikaner einloggt und beinahe den 3. Weltkrieg heraufbeschwört. Nur weil der Computer erkennt, dass keine Seite überleben könnte, bleibt der atomare Schlag aus.
Doch wie so oft gerinnt Science Fiction zur Wirklichkeit.
Nach den jugendlichen Hackern kamen Kriminelle, die Computer für Erpressung benutzen, fremde Bankkonten plünderten und Menschen ihre Persönlichkeit stahlen.
Immer häufiger wurden auch in Deutschland Firmen von Mitbewerbern durch „Denial of Service“-Attacken (Überlasten eines Server durch massive Anfragen) angegriffen und waren tagelang offline.
Der Nationalstaat Estland war 2007 monatelang vom Internet abgeschnitten (und hatte zufällig zu der Zeit Stress mit Russland)…
Dann wurde StuxNet geschaffen.
Dieser „Wurm“, eine Software, die sich selber vermehrt und verbreitet, hatte mehr als 10.000 iranische Rechner übernommen. Anti-Viren-Experten haben diesen Wurm „stuxnet“ getauft und analysiert. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass kein jugendlicher Hacker in der Lage gewesen wäre, diesen komplexen Schädling zu entwickeln. Mindestens 5 – 6 erfahrene Spezialisten hätten wohl 6 Monate daran gearbeitet und 4 sogenannte „Zero Day Exploits“ für Windows (Sicherheitslücken, die dem Hersteller Microsoft noch nicht bekannt waren) und 2 gefälschte digitale Signaturen verwendet.
Durch die bisher unbekannten und nicht geschlossenen Sicherheitslücken konnte per USB-Stick der Schädling in Windows-Rechner eindringen. Wegen der gültigen Zertifikate zweier taiwanesischer Hardware-Hersteller
wurde der stuxnet-Wurm auch von eventuellen Windows-Virenscannern nicht als gefährlich erkannt.
Der stuxnet-Wurm sucht gezielt nach Steuersoftware der Firma Siemens und kann fehlerhafte Befehle in Industrieanlagen auslösen. Zum Beispiel eine falsche Temperatur anzeigen – so dass notwendige Kühlung von Generatoren unterbleibt. Diese Steuersoftware wird zum Beispiel in iranischen Atomanlagen eingesetzt. Zum Beispiel im Kernkraftwerk Bushehr.
Die Entwicklungskosten für den Wurm liegen durch die teuer gehandelten Zero-Day-Exploits und die gestohlenen Zertifikate, sowie die aufwendige Programmierung in mehreren Schichten für mehrere Windows-Varianten (Windows 2000 bis Windows 7) in einem 7-stelligen Bereich. Also mehr als eine Million… Nichts für neugierige Teenager. Es bleiben nur Nationalstaaten übrig, die eine derart hochgezüchtete Cyber-Waffe entwickeln und auf den anzugreifenden Industrie-Anlagen testen können. Haben die Amerikaner diese Cyber-Waffe als Alternative zu einem bewaffneten Konflikt entwickelt oder schlägt hier der israelische Geheimdienst Mossad zu?
Heute wissen wir, dass die Elektrizitätswerke der Menschen und Atomkraftwerke weltweit empfindlich für diese digitale Kriegswaffen waren. Und auch ihre Krankenhäuser funktionierten nicht mehr, als sie bitter benötigt wurden.“
Das Feuer war heruntergebrannt. Viele der jungen Hunde waren eingeschlafen.
Evana fröstelte wie immer bei den alten Sagen einer vergangenen Menschheit.
Es gab keine Menschen mehr.
Sie legte die Pfoten über ihre Augen und träumte von wärmeren Dingen.
*****
(Diese Geschichte lehnt sich an eine Story von Clifford Simak, einem Pionier der Science Fiction, an – und ist entstanden aus der Beschäftigung mit der höchst aktuellen Entwicklung des stuxnet Wurms als Cyberwaffe zur elektronischen Kriegsführung. Wir benötigen dringend eine „Genfer Konvention“ für den elektronischen Krieg, Regeln für den Schutz von Personen, die nicht an den digitalen Kampfhandlungen teilnehmen.)
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