loss mer danze

Loß mer danze…

Wir gingen frierend die Breite Straße entlang, als vor uns ein Feuerball gen Himmel stieg.
Farbige Lichter zuckten und in der Ferne war lautes Donnern zu hören.

Neugierig beschleunigte ich meine Schritte.
Wie so oft streifte ich Samstags mit einem guten Freund durch die Stadt, eine Kamera in der Hand, auf der Suche nach ausgefallenen Motiven und erinnerungswerten Situationen.

Ein Polizeitransporter bog vor uns in die Breite Straße.
Polizisten in Uniform liefen am Straßenrand entlang.
Was ging da vorne ab?

Als wir näher kamen, tauchten 3 LKWs aus dem Rauch der Pyrotechnik und den Lichtblitzen einer Light-Show auf.
Reggae-Musik dröhnte durch die mittlerweile erreichte Ehrenstraße.

Das war kein verfrühter Karnevalszug an diesem Abend des 2. Februar 2013.
Hier wurde demonstriert für den Erhalt des Autonomen Zentrums in Kalk.

Ein Typ mit Dreadlocks gab mir ein Flugblatt, dem ich entnehmen konnte, dass in einem seit 10 Jahren leerstehenden Fabrikgebäude (die ehemalige Kantine von KHD – Klöckner-Humbold-Deutz) in Köln-Kalk von den meist jugendlichen Besetzern ein autonomes und nicht-kommerzielles Zentrum geschaffen wurde.
Ein fester Platz für Konzerte, Infoveranstaltungen, Umsonstladen und Kneipe mit veganem Essen am Rande des kulturell wahrlich nicht verwöhnten Viertels. Mittlerweile gibt es einen Miet-Vertrag mit einer Sparkassen-Tochterfirma, der das Gelände offiziell gehört.
In dem Vertrag steht aber auch, dass mit 3-monatiger Kündigungsfrist das Gelände geräumt werden muss, sobald es Bebauungspläne gibt.
Obwohl davon noch gar nicht die Rede ist, haben die Ex-Besetzer jetzt schon mal vorsorglich ihren Widerstand gegen eine mögliche Räumung angekündigt.
Sehr umsichtig!

Und wie sie ihre Lust zum Widerstand ankündigten!
Mit einer Energie und mitreißenden Freude, die ich so bisher noch auf keiner Demo erlebt habe.
Hier erlebten wir eine „Nachttanzdemo“ durch die Kölner Innenstadt.
Auf einem der LKWs stand unter der Plane ein DJ am Mischpult und sorgte von der nach hinten offenen Ladefläche für den wuchtigen Soundtrack zur Demo. Hinter dem LKW tanzende Menschen, bunt bekleidet und trotz der Februar-Kälte lachend und sprühend.
Auf dem LKW davor wurde Feuer gespuckt – große, heiße Feuerbälle stiegen zum Himmel wie bei den Street-Artists in der Fußgängerzone.
Silvester-Raketen wurden gezündet und zischten durch die Straßenschluchten.
An einem Balken oben an der LKW-Rückseite waren farbige Scheinwerfer befestigt, die zur Musik zuckten und flashten.
Dazwischen, dahinter und an den Seiten etwa 1000 Menschen, vorwiegend jung und alternativ. Viel Rasta-Look, Piercings und weite Klamotten.
Die „Show“ war so gut, dass sogar samstäglich einkaufende Bürger, die uns auf der Ehrenstraße entgegenkamen, lächelten und von der Energie angesteckt wurden.
Viele blieben stehen, schauten interessiert oder bewegten sich mit zur Musik.
Wir liefen am Rand der Demo mit und versuchten, nach vorne zu kommen, um alle Einzelheiten des Zuges mitzubekommen.
Und da wir die Kameras in der Hand hatten, machten wir auch Fotos von diesem Event.

Für mich war beeindruckend, mit wie viel frischer Energie diese jungen Menschen ihr Anliegen an die Öffentlichkeit brachten.

Möge dem Autonomen Zentrum und den beteiligten Menschen diese Energie (und das Zentrum!) erhalten bleiben!